Wem gehört der Fußball?
Red Bulls Vormarsch im Profifußball schreckt Traditionalisten. Der Einfluss von Investoren wächst – nicht nur in Leizpig.
Am Ende ging es um einen gesichtswahrenden Kompromiss. Wie die Stiere auf der Red-Bull-Dose waren zuvor die Kontrahenten aufeinander zugerast: hier der österreichische Brausemilliardär Dietrich Mateschitz, der Finanzier des Zweitligaaufsteigers RB Leipzig; dort die Chefs der Deutschen Fußball Liga (DFL), Hüter der 50+1-Regel, die einen bestimmenden Einfluss von Fußballinvestoren verhindern soll.
Nun ist amtlich: Ein als Werbeinstrument konzipierter Verein darf, entsprechende Cleverness vorausgesetzt, im deutschen Profifußball mitmischen. Als Zugeständnis für die Zweitligalizenz sagten die Abgesandten des Red-Bull-Chefs zu, das Leipziger Logo zu verändern und Gremien mit „mehrheitlich unabhängigen Persönlichkeiten“ zu besetzen, so die DFL-Erklärung. Seit vier Tagen sieht so Andreas Rettig, DFL-Geschäftsführer, das „Leitbild eines offenen Vereins“ als erfüllt an.
Die von Sponsor Red Bull gepäppelten Leipziger, ein eingetragener Verein (e.V.), der nach Medienberichten nur neun stimmberechtigte Mitglieder haben soll und dessen Corporate Identity voll auf den Getränkekonzern fokussiert, nehmen ab sofort Kurs auf die erste Liga.
Noch ist die Logo-Kosmetik Geheimsache, doch sickerte durch, dass wohl nur ein Fußball die gelbe Sonne ersetzt. Die markenbildenden Bullen bleiben. Freiwillig geändert wird das Kennzeichen des Mannschaftsbusses auf L – RB 21. Pro Aufstieg fällt dort eine Ziffer weg. L – RB 321 war einmal.
Lagerbildung auch bei Klubbossen: Fundis und Realos
3-2-1 meins – wem gehört der Fußball? Die jetzt aufgebrauste Debatte um Investoren und mächtige Mäzene spaltet seit Jahren Fans und auch Klubbosse in zwei Lager: Fundis und Realos. Hannover-96-Präsident Martin Kind sieht es unternehmerisch-nüchtern: „Die Regeln für den Profifußball korrespondieren nicht mehr voll umfänglich mit der Entwicklung des Marktes. Wenn man Veränderungen nicht gestaltet, schaffen sich die Marktteilnehmer Wege der Umgehung.“ Mit anderen Worten: Der Zug ist abgefahren, das Geld sucht sich seinen Weg.
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Hörgeräteunternehmer Kind hat Jahre gekämpft, um eine Öffnung der Bundesliga für nachhaltig denkende Investoren zu erreichen. Mit dem Anwalt Christoph Schickhardt an der Seite, der nun RB Leipzigs Interessen vertrat, erzielte er eine Ausnahme der 50+1-Regel, die ihm selbst die Übernahme von Hannover 96 ab 2018 ermöglicht – exakt 20 Jahre nach Beginn seines Engagements. Kind treibt die Vision, für die Heimatregion Gutes zu tun. Das gilt auch für SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, der den Durchmarsch seines Heimatklubs 1899 Hoffenheim in Liga eins finanzierte. Ziel ist auch die Professionalisierung: „Es gibt einen Know-how-Transfer, einen Verantwortungstransfer – und natürlich einen Geldtransfer“, sagte Kind dem Handelsblatt.
Die 50+1 Regel: Die Geister, die man rief
Die Kritik: 50+1 muss weiterentwickelt werden
Der Einfluss der Wirtschaft wächst. Meister Bayern München, seit Samstag auch DFB-Pokalsieger, hat mit Adidas, Audi und seit kurzem der Allianz drei prominente Investoren, die zusammen 275 Millionen Euro für nun 24,9 Prozent der Anteile zahlten. Bei Hertha BSC Berlin kam im Februar der Finanzinvestor KKR zum Zuge. Und der Hamburger SV, der gestern erfolgreich gegen den Abstieg kämpfte, hofft auf rettende Millionen seines Edel-Fans, des Logistik-Unternehmers Klaus-Michael Kühne. Auch der VfB Stuttgart hat angekündigt, auf Investorensuche gehen zu wollen.
Am Zweitligisten FC Ingolstadt sicherte sich ohne jede öffentliche Notiz die Audi-Tuningschmiede Quattro 19,94 Prozent. „Der Vertrag wurde Ende März 2013 unterschrieben“, sagt Elke Bechtold, Leiterin der Sportkommunikation bei Audi. Im Februar 2014 gab das Bundeskartellamt nach Handelsblatt-Recherchen grünes Licht, im Mai erfolgte der Eintrag ins Handelsregister. Auch das Stadion übernahm der Autobauer, der zugleich Hauptsponsor ist. Bechtold begründet das kräftige Fußball-Engagement mit Standortmarketing und Mitarbeitermotivation.
Der VW-Konzern hat als Audi-Eigentümer mit der 100-prozentigen Tochter VfL Wolfsburg, dem FC Bayern und Ingolstadt nun drei Klubs im Anlageportfolio. „Problematisch könnte sein, dass man sich als Unternehmen an zwei Klubs beteiligt, die vielleicht auch mal aufeinandertreffen“, sagt Martin Kind.
Peter Peters, Finanzvorstand des klassisch als e.V. organisierten FC Schalke 04 lehnt Investoren ab und lebt lieber mit Schulden. „Das ist das System der fremdfinanzierten Unabhängigkeit“, sagte er im März vor Journalisten. „Wir wollen keinen haben, der uns 100 Millionen gibt und nachher über uns bestimmt.“ Großinvestoren bergen für ihn auch große Risiken: „Wenn Red Bull den Spaß an Leipzig verliert, wo endet dann so ein Verein?“
Thomas Mersch und Stefan Merx für das Handelsblatt
Hamburch1887
jaja der FC Schlacke, so frei von Investoren, die man nicht möchte. Vor allem frei von russischen Investoren.
Ansonsten ist die 50+1 Regel so dusselig, wie sie überfällig ist. Clubs mit 400 und mehr Mio Umsatz sollen sich organisieren wie der Schachverein an der Ecke. Dass wir das einzige Land in Europa sind, das sowetwas macht, gibt auch irgendwie niemandem zu denken.